So einfach ist es nicht

Raubkopierer

Der Newsticker von Heise bestätigt meinen Verdacht…

Studie: Beweise für Copyright-Verletzungen in P2P-Netzen oft unzureichend

Ein Forscherteam der University of Washington untermauert mit einer Studie die wachsenden Zweifel an der Beweisführung der Film-, Musik- und Softwareindustie in Copyright-Fällen gegen Filesharer. Bei ISPs und Universitäten gehen zahlreiche Be­schwer­den wegen angeblicher Ur­heber­rechts­ver­letzungen ein. Dabei machen die Ver­treter der Inhalte­anbieter ihre Vor­würfe zumeist an einer IP-Adresse fest, über die zu einem bestimmten Zeit­punkt verschiedene Dateien in File­sharing-Netzen bereit­gehalten wurden.

Was dann kommt ist unglaublich. Die von der Musikindustrie beauftragten Ermittler reichen laufend Listen von IP-Adressen ein. Früher an die Staats­anwalt­schaft. Die spielt nicht mehr mit. Dann also einfach an die Provider. Die lassen sich aber auch immer weniger einschüchtern. Die Methoden sind besten­falls unhöflich.

Eine Kanzlei M. aus F. war die letzte, die uns da beglückt hat. Ein Telephonanruf: „Sagen Sie mir, wer bei Ihnen für die Inter­net­adress­zu­ordnung zuständig ist. Was heißt, Sie kennen uns nicht? Spielt keine Rolle, Sie lernen uns jetzt kennen“. Wer so auf den Putz haut, den will ich eigentlich lieber nicht kennenlernen. Aber ich denke, ich kenne solche Leute dann eh schon ganz gut 🙂

Das ein paar Tage später eintrudelnde Drohschreiben wiesen wir als „verwirrt“ zurück. Natürlich erst, nachdem wir unsere Rechtsabteilung gefragt hatten, wir sind ja nicht Vergnügungssüchtig – im Gegensatz zu unserer Rechts­abteilung. Deren Chef liebt auffällige Ab­mahn­manu­fakturen und Fließ­band­abzocker­kanzleien. Zweifel­los war das hier auch so eine – wir wurden auf­gefordert, per Email zu antworten, da nur so eine zügige Be­ar­beitung möglich sei. Das nennt man, glaube ich, Geständnis 🙂

Anyway, was macht uns so sicher, dass hier nicht ein armer, hungerleidender Künstler geschützt werden müsse vor bösen Urheberrechtsverletzern? Da war ich mir meiner Sache schon sehr sicher… Die angefragte IP-Adresse war ein unschuldiger Netz­werks­drucker. Garantiert kein Musik­kopierer. Nicht, dass man in fremde, schlecht gewartete Rechner nicht einbrechen und dort Unsinn anstellen könnte. Aber Musik hören auf einem Drucker?

Nun kam die Wahrheit ans Licht. Das war kein Zufall. Der oben erwähnte Heise-Artikel geht nämlich so weiter…

Das Team um Tadayoshi Kohno hatte im August 2007 gezielte Requests an Bittorrent-Tracker geschickt, um das Verhalten der P2P-Nutzer und die Schwarmbildung in den Netzen zu analysieren. Dabei nutzten die Forscher ein eigenes Verfahren, das die Anmeldung bei einem Tracker und den Austausch mit so genannten Peers (anderen Rechnern) in einem Schwarm (die Gruppe der mit einer bestimmten Datei verbundenen Rechner) erlaubte, ohne dass tatsächlich Daten hoch- oder heruntergeladen wurden. Diese erste Untersuchung von über 55.000 Schwärmen hatte unter anderem ein unerwartetes Ergebnis: 206 Beschwerden von verschiedenen Industrievertretern.

Mit einem zweiten Testlauf im Mai 2008 wollten die Forscher auch der Fragestellung nachgehen, ob sich die Copyright-Fahnder manipulieren ließen. Mit über 27.000 untersuchten Schwärmen brachten es die Forscher diesmal auf 281 Beschwerden. Da wieder keine Daten geflossen waren, schlossen die Wissenschaftler, dass die Rechteinhaber ihre Anschuldigungen alleine auf eine IP-Adresse stützen, ohne die tatsächliche Verteilung einer Datei und deren Inhalt zu prüfen. Darüber hinaus gelang es ihnen, die IP-Adresse zu manipulieren. Damit können unter Umständen unschuldige Dritte ins Visier der Rechteinhaber geraten.

Fassen wir zusammen: Die Ermittler der Abzocker ermitteln nicht. Sie greifen wahllos IP-Adressen heraus, führen ein paar heuristische Tests durch und schauen dann einfach, wie weit sie kommen mit einer Anschuldigung. Vielleicht gibt es ja einer gleich zu und schon wieder klingelt die Kasse und die arme gebeutelte Musikindustrie hat einen weiteren Finsterling zur Strecke gebracht. Oder aber der Beschuldigte wehrt sich, dann war’s halt nichts.

Den Heiseartikel sollte man sich ausdrucken und immer in Griffweite haben, wenn wieder ein Abmahner das Internet nach Opfern abgrast. Falls ihn der Richter, wenn es so weit kommt, noch nicht kennen sollte… Und umgekehrt: Wenn man wirkliche Verbrecher im Netz fangen muss, dann wird das durch solche dubiosen Anwälte eher vereitelt.

(Bildquelle: www.hartabergerecht.de)

Ein Kommentar

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  1. […] falsche Ver­dächti­gungen gibt es genug. Auch sollte man über die Typisierung der Täter kurz nach­denken. Aber das kümmert die Musikindustrie traditionell nicht […]

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